Ein Satz treibt fast alle Forschenden an: "Wissen führt zu handeln!" Demnach hängen Entscheidungen in der Politik und bei jeder und jedem von uns von gesicherten Informationen ab. Das dachte auch Klimaforscher Mojib Latif. Doch nach vier Jahrzehnten wissenschaftlicher Arbeit stellt er nüchtern fest: "Zumindest in meinem Fachgebiet hat sich dieser Grundsatz als falsch herausgestellt." Aber warum? In dieser ARD-Wissen-Dokumentation von HR und MDR will er das ergründen und zudem herausfinden, wie Klima-Fakten kommuniziert werden müssen, damit sie uns erreichen. Es ist ein Moment, der besonders haften bleibt: Mojib Latif steht in Mecklenburg-Vorpommern mitten im Waldbrandgebiet. Unzählige verkohlte Bäume stecken leblos wie Zahnstocher in der aschigen Erde. Fassungslos stellt er fest: "So etwas habe ich noch nie gesehen. Unfassbar!" Es ist das eingetreten, wovor er immer gewarnt hatte: Die menschengemachte Erderwärmung sorgt für immer mehr Extremwetter. Dabei hat er, genauso wie unzählige weitere Forschende, seit Jahrzehnten in diversen wissenschaftlich geprüften Modellen bewiesen, dass genau das passieren wird: mehr Hitze, mehr Hochwasser, mehr Stürme, mehr Brände. In seinen Recherchen erinnert er sich an die Anfänge der Klimaforschung. "Statt auf uns zu hören, wurden von den Profiteuren mit Millionensummen Lobby-Organisationen gegründet, die unsere Arbeit mit Lügen und Falschmeldungen in Frage stellten." Mit Erfolg. Der CO2-Ausstoß wurde nur halbherzig reduziert. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert fasst es so zusammen: "Der Impuls ist der, dass wir in einer ganz anderen Welt wären, wenn die fossilen Lobbyisten nicht ihre Schandtaten betrieben hätten." Seit einiger Zeit kämpfen nun junge Menschen für einen radikalen Wandel. Gegen rücksichtslose Unternehmen und gegen handlungsunfähige Politiker, wie sie behaupten. "Fridays for Future" und "Letzte Generation" wollen einen sofortigen Kurswechsel. Ihr Anliegen kann Mojib Latif verstehen, doch er fragt sich, was ihre Protestformen bringen, die er in ihrer Radikalität eigentlich ablehnt. Können sie mehr bewirken als Aufklärungsarbeit? In weiten Teilen der Gesellschaft führen sie eher zu Wut und Unverständnis. Gab es überhaupt jemals erfolgreiche Protestformen? Vielleicht braucht es ganz andere Ansätze, um Menschen zu überzeugen. Unser Gehirn spielt in jedem Fall eine große Rolle. Es ist nicht seine Stärke, komplexe Problemstellungen langfristig zu lösen, sagt der Neurowissenschaftler Henning Beck. "Es gibt vor allem drei Gründe in der Struktur unseres Gehirns, die unser Verhalten bei der Bewältigung großer Probleme negativ beeinflussen." Doch in diesem Fall scheint uns das Wissen darüber Möglichkeiten zum Handeln zu verschaffen. "Wir wissen jetzt, warum der Mensch solche Schwierigkeiten hat, langfristig vernünftig zu handeln. Und wir haben einige Ideen, wie man damit umgehen könnte." In der Dokumentation kommen zahlreiche Stimmen aus der Wissenschaft zu Wort, die das "Drama Klimaschutz" aus verschiedenen Perspektiven analysieren. Dazu gehören Professorin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Protestforscher Professor Dieter Rucht, die Gründerin der "Letzten Generation" Lea Bonasera sowie Clara Duvigneau von "Fridays for Future". Außerdem besucht Mojib Latif das walisische Küstendorf Fairbourne, das zu den ersten europäischen Ortschaften gehört, die wegen des Klimawandels evakuiert werden müssen. Im Verlauf der Dokumentation wird deutlich, warum die wissenschaftliche Aufklärungsarbeit bei aller Eindeutigkeit nicht zu ausreichendem Klimaschutz geführt hat und welche Hürden dafür noch genommen werden müssen - nicht nur wirtschaftliche und politische, sondern vor allem ganz menschliche, von denen die Wissenschaft inzwischen aber auch besser versteht, wie man sie überwinden könnte.